Hämopyrrollactamurie (HPU)
eine Porphyrinurie |
HPU ist eine angeborene Stoffwechselstörung, die mit einer fehlerhaften Hämsynthese einhergeht. Statt Häm wird Koproporphyrinogen 1 synthetisiert, da mehrere Enzyme der Häm-Synthese in ihrer Aktivität gestört sind. Dies ist entweder genetisch bedingt. Im Falle einer sekundären Porphyrie wird die Enzymblockade durch Xenobiotika oder Schwermetalle verursacht. Auch eine Kombination ist möglich. Die HPU geht mit einem regelmäßigen Verlust an Vitamin B6 (P-5‘-P), Zink, oft auch Magnesium und seltener auch an Chrom, Molybdän und Mangan einher, da sie an das Pyrrol gekoppelt mit dem Urin ausgeschieden werden. Mittels einer 24-Stunden- Sammelurin-Messung können diese Pyrrole als HPL-Komplexe (5-OH-Hämopyrrollactam-Zink-Komplex) gemessen werden. Dabei wird unter Stressbedingungen mehr Koproporphyrinogen 1 produziert. HPU ist in der Literatur auch bekannt unter dem geschichtlich älteren Namen Kryptopyrrolurie oder Malvaria. Fälschlicherweise galt der „mauve factor“ (Malvaria), der bei schizophrenen Patienten in den 70er Jahren von Pfeiffer, Hoffer und Kollegen vermehrt nachgewiesen werden konnte, jahrelang als Kryptopyrrol. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um die Verbindung Hämopyrrol, bzw. Hydroxyhämopyrrol- 2–1 (HPL) (8, 11, 12, 15).
Die fehlerhafte Hämsynthese führt zu einem Defizit an echtem Häm. Häm ist Bestandteil aller P450-Cytochrome (insgesamt 57), von Hämoglobin und Myoglobin.
Dem Stoffwechsel steht Häm als Co-Faktor für zahlreiche Reaktionen nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung. Unter anderem kann dann aus Häm und Apoprotein kein oder nur noch wenig Cytochrom b und c hergestellt werden. Das sind die Komplexe III und IV in der Atmungskette, um ATP herzustellen.
Eine der Folgen einer unbehandelten HPU ist also ein stetig fallender ATP-Wert intrazellulär. Desweiteren kommt es zu einer geringeren Bereitstellung von Cystathionin und damit Cystein, denn der erste Umwandlungsschritt vom Homocystein zum Cystathionin ist Häm-abhängig, beide Schritte sind P-5‘-P-abhängig. Wird nicht genügend Cystein hergestellt, ist auch die Glutathion- und Taurin-Synthese beeinträchtigt. Das sind Stoffe, die für unsere körpereigene Entgiftung eine wichtige Funktion beinhalten. Insbesondere ist Glutathion als Zellund Mitochondrienschutz elementar notwendig. Alle Porphyrien sind Hämsynthesestörungen. Sie können durch Schwermetalle oder durch Xenobiotika ausgelöst werden. Es gibt auch verschiedene genetische Störungen, bei denen bestimmte porphyrinogene Substanzen metabolische Krisen auslösen können. Dazu zählt zum Beispiel die chronische hepatische Porphyrie.
Die Regulation der Häm-Biosynthese erfolgt durch negative Rückkopplung des Enzyms d-Aminolävulinsäure- Synthase (ALA-S) (Abb. 1). Hohe Konzentrationen an freiem Häm inhibieren die katalytische Aktivität der ALA-S; umgekehrt führt ein Häm-Mangel zur Induktion und Aktivitätssteigerung. Basierend auf den klinischen Symptomen können die verschiedenen Porphyrien in akute und nichtakute Formen eingeteilt werden. Meist sind die Symptome unspezifisch. Insbesondere die akuten Porphyrien manifestieren sich mit lebensbedrohlichen akuten neurologischen Attacken und bedürfen einer sofortigen Behandlung. Derartige Attacken werden durch porphyrinogene Medikamente, aber auch durch Hormone, Alkohol und chronische Infektionen ausgelöst (3,4,6).
Abb. 1: Porphyrin- und Hämbiosynthese: Enzymsequenzen und Enzymstörungen bei Porphyrien.

Abb. 2: Deutlich vermindertes intrazelluläres ATP in Leukozyten als Indiz für eine sekundär gestörte Mitochondrienfunktion der Leukozyten.
Die Diagnose einer HPU wird durch die Messung von 5-OH-Hämopyrrollactam-Zink-Komplex in einem 24-Stunden-Sammelurin gestellt. Die Messung von 2,4-Dimethyl-3-Ethylpyrrol kann falsch negative Ergebnisse beinhalten, da es sich bei diesem sogenannten KPU-Test um eine Morgenurin-Messung handelt. Bei der in der Nacht in der Blase gesammelten Urinmenge liegt bei dem Patienten meist wenig Stress vor, er schläft in aller Regel. Auch kann der Test durch Einnahme von Vitamin B 6, Biotin oder Multivitaminpräparaten, eine stressfreie Zeit, die Periode, Einnahme von Antibiotika oder Alkoholkonsum am Testtag und am Abend zuvor verfälscht werden.
Sehr schwer betroffene HPU-Patienten können möglicherweise nicht erfasst werden, wenn der Körper bereits elementar an bioaktiven Vitamin B6 (P-5‘-P) verarmt ist (siehe Abb. 4).
Abb. 3: Störung des Syntheseschritts von Homocystein zu Cystathionin durch Mangel an Häm.
Weitere Folgen einer HPU sind:
- Metabolische Krisen
- Mitochondriale und neuronale Schäden durch ROS (1)
- Reduzierte Entgiftungskapazität der Phase I (mangelnde Cytochrom P450-Synthese, später auch der Phase II (mangelnde Synthese von Glutathion, Sulfit/ Sulfat und Taurin)
- Gesteigerte NO-Produktion (2) / Verbrauch von Vitamin B12 (9, 10,14)
- Zinkkonzentration im Vollblut deutlich vermindert
- ATP-Mangel (sekundäre Mitochondriopathie, mangelnde Cytochrom b- und c-Synthese)
- Hormon-Mangel (Progesteron, Cortisol, mangelnde Cholesterin-Monooxygenase-Synthase (Cyp11A1)
- Gallensäurenmangel (mangelnde 7-alpha-Hydroxylase (Cyp7A1) mit der Folge von Gallensteinbildung wegen eines erhöhten lithogenen Indexes
- Neurotransmitter-Mangel (Serotonin, Melatonin, Dopamin wegen Vitamin B 6-Verlust)
Besonders auffällige körperliche Merkmale einer HPU sind das blasse Hautkolorit, das sog. Puppengesicht (Chinese-Doll-Syndrom), die Leukonychie (weiße Flecken auf den Fingernägeln) und ein Hypermobilitätssyndrom mit teilweise extremer Überstreckbarkeit der Gelenke. Häufig zeigt sich auch eine Sonnenallergie oder toxische Lichtdermatose, da die in die Haut abgelagerten Porphyrine (die nicht mit dem Urin ausgeschiedenen akkumulierten Stoffe) die Sonnenempfindlichkeit erhöhen. Hierbei lagern sich u. a. Protoporphyrin oder auch Uro- und Heptacarboxyporphyrine in der Haut ab. So absorbiert Protoporphyrin Licht der Wellenlänge 400 bis 410 Nanometer, das heißt UVA-Strahlung und den blauen Anteil des sichtbaren Lichts. Die aufgenommene Lichtenergie gibt Protoporphyrin an das Hautgewebe ab.
Hierbei entstehen Sauerstoffradikale, die Strukturen im Gewebe zerstören können (oxidativer Stress). Hauptsymptom ist eine akute phototoxische Reaktion auf das Sonnenlicht. Bereits wenige Minuten nach Sonnenbestrahlung schmerzt die Haut an den belichteten Stellen. Der Schmerz kann sehr intensiv sein. Betroffen sind Handrücken und Gesicht, besonders Nase und Ohren, häufig auch Fußrücken und andere sonnenexponierte Körperstellen. Bei leichteren Schmerzattacken kann die Haut völlig unverändert sein; die Symptome werden dann auch als Jucken, Brennen oder Beißen beschrieben. Bei schwereren Attacken kommt es zu Schwellungen, Rötungen und bläulich-violetten Verfärbungen oder winzigen stecknadelkopfgroßen Blutungen. Die Haut erholt sich rasch und ist völlig unauffällig, wenn sie nicht dem Sonnenlicht ausgesetzt ist (7, 13).

Abb. 4: Vitaminbefund einer HPU-Patientin. Vitamin B6 bioaktiv ist deutlich vermindert. Bei diese Untersuchung werden alle 6 bioaktiven Vitamin B6-Metabolite zusammen erfasst. Ist das bioaktive Vitamin B6 erniedrigt, liegt dann eine HPU vor, wenn Vitamin B6 im Serum herkömmlich gemessen, unauffällig oder sogar erhöht ist.
Ein typisches Merkmal einer HPU ist ein zu kleiner Oberkiefer (Mikrognathie) mit schiefstehenden Vorderzähnen. Häufig findet allerdings eine kieferorthopädische Korrektur in der Jugend statt, sodass sich im Erwachsenenalter keine Auffälligkeiten mehr zeigen. HPU-Patienten beklagen übermäßig häufig Striae, Hämatome ohne Trauma, Augenränder / Unterlidödeme, Stress-Intoleranz, Licht-, Geräusch- und Geruchsempfindlichkeit. Auch leiden sie vielfach an Allergien, Neurodermitis, Juckreiz, Hautirritationen, Ödemen, Psoriasis, Asthma, Reizdarm und Darmkoliken sowie Migräne oder Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Tinnitus und haben selten eine Traumerinnerung.
HPU ist oft mit Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis und primär biliärer Zirrhose (PBC) assoziiert. Die Patienten entwickeln gehäuft ADS/ADHS, chronische Infektionen (mykotisch, viral und bakteriell), Arthralgien/ Arthritiden, Gelenksbeschwerden und Diabetes mellitus sowie Übergewicht. Es kann zur Anämie und Erschöpfung bis hin zum CFS kommen. HPU-Frauen leiden an Myome des Uterus, Endometriose und PMS, ab dem 40. Lebensjahr oder sogar bereits früher besteht oft Unfruchtbarkeit. Vor allem sind aber die psychischen Auffälligkeiten wie Depressionen, Psychosen, Angststörungen, Autismus und Stimmungsschwankungen von Bedeutung. Durch die chronisch anhaltende Radikalbelastung kann eine Spätfolge die Entstehung von Tumoren sein (8, 15).
Die Therapie der HPU besteht bei einer rein genetisch bedingten Form in der Supplementierung von aktiviertem Vitamin B6 (P-5‘-P), Zink, Magnesium, Kupfer, Mangan, Molybdän je nach Vollblutanalyse. P-5‘-P sollte nicht allein gegeben werden, da es durch den wieder funktionierenden Stoffwechsel dann auch zu einem vermehrten Verbrauch anderer B-Vitamine und Folsäure kommt. Idealerweise beginnt man mit der Gabe eines aktivierten B-Komplexes und gibt nach 2 — 4 Wochen sukzessive mehr P-5‘-P dazu. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass eine potenzielle Giftung des Patienten über ein vermehrtes Anfluten von toxischen Metaboliten aus der Phase I der körpereigenen Entgiftung stattfinden kannn. Je älter ein HPU-Patient ist, desto mehr Gifte wurden in seinem Körper akkumuliert, da die HPU mit einer reduzierten Entgiftungskapazität der Phase I (mangelnde Cytochrom P450-Synthese, später auch der Phase II (mangelnde Synthese von Glutathion und Taurin) einhergeht. Deshalb ist es notwendig, zunächst eine Vorbehandlung zur Verbesserung der Phase II und III der körpereigenen Entgiftung zu etablieren, bevor mit der Therapie der HPU begonnen wird. Dazu wird ein Bindemittel wie z. B. Bio-Chlorella eingesetzt, um die Rückresorption der nun bald vermehrt ausgeschiedenen Toxine zu unterbinden. Eine geeignete Dosis liegt bei 3 x 5 g zu den Mahlzeiten. Um die Phase II optimalerweise zu unterstützen, erhält der Patient alle Bausteine der Glutathion-Synthese (jeweils 1 Messlöffel Taurin, Glycin und Glutamin) sowie MSM morgens und abends. Alle Pulver können zusammen in einem Glas Wasser aufgelöst getrunken werden. Wird der Patient so vorbereitet, kommt es zu keinen negativen Effekten, wenn mit der Supplementierung von P-5‘-P begonnen wird.
Liegt die Ursache in einer Schwermetall- oder Xenobiotikabelastung, sollte ein Expositionsstopp (z.B. Amalgamentfernung, Schimmelpilz- oder Holzschutzmittelsanierung) eingeleitet werden. Entsprechende Ausleitungsmaßnahmen sind zusätzlich zur HPU-Therapie zu beginnen.
Im Stoffwechsel bestehen ca. 300 enzymatische Reaktionen,
die P-5‘-P-abhängig sind. Davon eine Auswahl:
- Die Zink- und Magnesiumresorption
- Die Zink-Rezeptoren
- Die Steroidhormonrezeptoren
- Die Hormonsynthese
- Die Häm- und Cytochrom P450-Synthese
- Die Hämoglobin- und Myoglobinsynthese
- Die Neurotransmittersynthese (Serotonin, Dopamin, GABA, Noradrenalin)
- Der Histaminabbau
- Die Glutathionsynthese
- Die Magensäuresynthese
- Die Glutaminoxalacetat-Transaminase (China-Restaurant-Syndrom)
- Die Myelinscheiden der peripheren Nerven
- P-5‘-P ist notwendig für den Transporter GLUT5 (Fructoseaufnahme)
- Die Umwandlung von Vitamin B6 zu P-5‘-P benötigt Vitamin B2, Mg, Zink und ATP
Dr. med. Birgitt Theuerkauf, Hamburg
Ärztin, Naturheilverfahren,
umweltmedizinische Schwerpunktpraxis
birgitt.theuerkauf@gmx.de
Literatur
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