30 Jahre Praxiserfahrung mit
chronisch kranken Patienten:
Das 10-Punkte-Therapieprogramm
Die rasche Industrialisierung, ausgehend von 1950 bis heute geht mit einem erhöhten Auftreten chronischer Erkrankungen einher. Seit mehr als 50 Jahren steigt die Inzidenz von Diabetes mellitus, neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz und Morbus Parkinson, des chronischen Erschöpfungssyndroms (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome, ME/ CFS), von Fibromyalgie, Multipler Chemikalien Sensitivität (MCS), Autoimmunerkrankungen und Krebs stark an [Baehr]. Parallel ist zu beobachten, dass die Menschheit in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend Umweltgiften ausgesetzt ist (derzeit jährlich 500 Millionen Tonnen Umweltgifte weltweit, allein 6000 Tonnen Glyphosat nur in der BRD pro Jahr). Die chronischen Erkrankungen haben proportional zur Umweltbelastung seit 1950 bis heute exponentiell zugenommen.
Chronische Erkrankungen sind in aller Regel mit einem chronischen Entzündungsgeschehen assoziiert. Zahlreiche Triggerfaktoren wie Metalle, Weichmacher, Mercaptane, Bakterien, Kunststoffe etc. führen über eine Schädigung der Darmschleimhaut (Leaky-Gut-Syndrom / chronische Darmentzündung) zur Aktivierung immunkompetenter Zellen mit Sekretion diverser Immunbotenstoffe (u. a. Histamin, TNF-α, IFN-γ) und damit zu einer chronischen Entzündung. Diese bewirkt einerseits nitrosativen oder/und oxidativen Stress einhergehend mit verminderter ATP-Synthese (Mitochondriopathie) [Freye]. Andererseits führt die chronische Entzündung zu einer gestörten Immuntoleranz mit Entwicklung weiterer Sensibilisierungen, siehe Abb. 1 [Pall].
Abb. 1: Darstellung des Circulus vitiosus der chronischen Entzündung und deren Triggerfaktoren, Pall, Explaining unexplained illness 2007 modifiziert durch Volker von Baehr.
Der negative Kreislauf (Circulus vitiosus) schließt sich. Die Abbildung 1 linksseitig zeigt, dass die chronische Entzündung den Erhalt unserer Immuntoleranz stört. So erklärt sich, dass in Folge chronisch systemischer Entzündungen Trigger als Stimulus relevant werden können, die bis dahin toleriert wurden und bisher auch keine Immunaktivierung induziert haben.
Durch welche Maßnahmen ist es nun möglich, den unaufhörlich sich selbst verstärkenden Prozess zu unterbinden? Durch die Behandlung chronisch kranker Patienten in meiner naturheilkundlich und umweltmedizinisch orientierten Praxis hat sich seit 1990 sukzessive ein Behandlungskonzept entwickelt, welches ich im Folgenden als das 10-Punkte-Therapieprogramm vorstellen möchte.
Für den Überblick sind hier die 10 wesentlichen Schritte aufgelistet:
1. Therapie des Darms
2. Zahn-/Kiefersanierung
3. Unterstützung der körpereigenen Entgiftung/ Ausleitungstherapie
4. Therapie mit Mikronährstoffen
5. Ordnungstherapie/ Anti-Stresstherapie
6. Therapien auf der psychischen Ebene
7. Antiinflammatorische Therapie
8. Immunmodulation
9. Antiinfektiöse Therapie
10. Weitere äußere Einflussfaktoren erkennen und beseitigen
Im Folgenden sollen die einzelnen Punkte etwas näher beleuchtet werden.
1. Therapie des Darms (Leaky-Gut-Syndrom behandeln, Ursachen beseitigen)
Im Rahmen der Behandlung von chronisch Kranken nimmt die Therapie des Darms einen entscheidenden Stellenwert ein und ist daher der erste Behandlungsschritt. Ein Leaky-Gut-Syndrom geht mit einer erhöhten Darmschleimhautdurchlässigkeit einher. Die Darmbarriere ist gestört. Die Folgen sind eine erhöhte Konfrontation des Darm-Immunsystems mit:
- Nahrungsmittelbestandteilen, die nicht komplett in ihre Bausteine zerlegt sind sowie Bakterien, Schimmelpilze und Hefen (Candida)
- der Freisetzung von Entzündungsbotenstoffen
- der Triggerung von systemischen und lokalen chronischen Entzündungen, siehe Abb. 2
Abb. 2: Bei einer durchlässigen Darmwand treten Erregerantigene, Nahrungsmittelproteine und LPS in die Submukosa über. Dort aktivieren sie Mastzellen und Makrophagen, die vermehrt Entzündungsbotenstoffe produzieren und abgeben. Eine lokale und/oder systemische Entzündung ist die Folge [IMD Labor Berlin 322].
Solange ein Leaky-Gut-Syndrom unbehandelt bleibt, besteht eine chronische Immunaktivierung, aber auch eine Herabsetzung der Phase II Entgiftung.
Bei einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut, liegen mikroskopische Läsionen des Epithels vor, die zu einer erhöhten Permeabilität führen. Als Folge dieser Entzündung wird die Ausschüttung der Transportmoleküle (MRP 2), die die Glucuronsäure- oder Glutathionkonjugate von der Leberzelle in die Gallenkanälchen befördern, in der Leber herunterreguliert. Das löst wiederum einen negativen Feedback-Mechanismus auf die Phase II der körpereigenen Entgiftung aus; die dann nur noch eingeschränkt funktioniert [Quicksilver Scientific]. Die Phase I läuft allerdings ungehindert weiter. So entsteht aufgrund des Ungleichgewichts von Phase I und Phase II vermehrter oxidativer Stress, siehe Abb. 3.
In meinen Büchern „Silent Inflammation – chronisch krank, Basistherapie durch Unterstützung des körpereigenen Entgiftungssystems“ und „Chronische Erkrankungen behandeln und heilen – Das 10-Punkte-Therapieprogramm“ beschreibe ich detailliert, wie eine sinnvolle und aussichtsreiche Therapie des Leaky-Gut-Syndroms erfolgt.
Abb. 3: Einfluss des Leaky-Gut-Syndroms auf die körpereigene Entgiftung. Die Entzündung des Darms reguliert die Ex-pression von MRP2 (ein Transportprotein) herunter. Dies führt zu einer negativen Feedback-Hemmung auf die Aktivität der Phase II. Die Kopplung an Glutathion, Schwefel oder Glucuronsäure (Glucuronidierung) wird gebremst. Die Phase I ist weiterhin aktiv und produziert eine große Menge an hochtoxischen Zwischenprodukten, die nun nicht mehr durch die herunterregulierte Phase II entschärft werden können. Eine Zunahme von oxidativem Stress ist die Folge.
2. Zahn- /Kiefersanierung
Im Rahmen des Gesamtkonzeptes ist die Zahn- /Kiefersanierung von großer Bedeutung. Zahnersatzmaterialien aus Metall (Gold, Amalgam und metallkeramische Verblendungen) sowie Beherdungen im Bereich des Ober- und Unterkieferknochens: Eine Kieferostitits und/oder FDOK (fettig degenerative Osteolyse des Kieferknochens) bzw. NICO (Neuralgie induzierende kavitätenbildende Osteonekrose) stellen wesentliche Belastungen des chronisch kranken Organismus dar [Lechner]. Ohne eine Sanierung wird sich der Behandlungsverlauf als äußerst mühsam und vermutlich auch als nicht erfolgreich erweisen. Schwermetalle verursachen eine Enzymblockade des Energiestoffwechsels, wodurch es zu einem Mangel an ATP (sekundäre Mitochondriopathie) kommt. Ebenso werden andere Enzyme wie z. B. die Diaminooxidase durch eine strukturelle Veränderung in ihrer Aktivität eingeschränkt. Schwermetalle schädigen die Darmbarriere und verändern das Darmmikrobiom [Höhne]. Silber, Zinn und Quecksilber wirken desinfizierend, nachweislich erhöhen sie die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut und schädigen so unser Darmmilieu. Gold wirkt immunsuppressiv, mit dieser Indikation wird es als Rheumamittel eingesetzt. Schwermetalle verdrängen Spurenelemente aus ihren Bindungen und hemmen die Wirkung von Selen und Zink. Sie induzieren oxidativen Stress (ROS) und Entzündung (IL- 1, IL-6, TNF-α), wodurch es zu folgenden Störungen kommt:
- Mitochondriopathie (ATP-Mangel als Folge einer Entzündung)
- Zellmembranschädigung
- Neurotoxizität
- Krebs
In der Komplementärmedizin werden jedem Zahn über das Meridiansystem Organe zugeordnet. Dr. Voll, Dr. Kramer und Dr. Gleditsch entwickelten umfangreiche Tabellen, die die Zusammenhänge der Zähne mit den Organen aufzeigen. Ist ein Zahn oder eine Region beherdet, kann es zur Schwächung des zugehörigen Organsystems kommen. Dabei stellt jeder devitale Zahn ein Störfeld mit Einschränkung der Regulationsfähigkeit dar, was bis zur Regulationsstarre führen kann. Eine Regulationsstarre oder Einschränkung der Regulationsfähigkeit kann die Heilung eines erkrankten Körpers verhindern und zur
Therapieresistenz führen. Darüber hinaus können Zahn-/Kieferstörfelder durch die Abgabe von Mercaptanen und Thioether eine chronische Belastung des Organismus darstellen. Das sind Schwefel-Eiweißverbindungen, gebildet aus organischen Eiweißzerfallsprodukten. Sie entstehen, weil auch bei einer perfekten Wurzelkanalbehandlung organisches Gewebe nicht komplett aus dem Wurzelkanal entfernt werden kann. Die Folge ist die Produktion dieser Eiweißabbauprodukte wie Mercaptane und Thioether, biogene Amine wie Skatol und Putreszin sowie andere Substanzen, die toxisch und unter Umständen immunogen wirken können [Graf K, Graf F].
Die Zusammenarbeit mit einem Zahnarzt/-ärztin ist daher unerlässlich.
3. Unterstützung der körpereigenen Entgiftung / Ausleitungstherapie
Viele Triggerfaktoren beeinträchtigen das körpereigene Entgiftungssystem. Vor 70 Jahren war die Umweltbelastung im Vergleich zu heute erheblich geringer. Damals musste sich unser Entgiftungssystem hauptsächlich um die im Körper selbst entstehenden Gifte kümmern. Heute hingegen wird die Kapazität unserer Entgiftungsfähigkeit durch die zunehmende Umweltbelastung überschritten. Genetisch bedingte Detoxifikationsstörungen wirken sich dabei verschlechternd aus. Zwei häufige Entgiftungsstörungen sind Hämopyrrollactamurie und Morbus Meulengracht.
Die Therapie einer Entgiftungsstörung läuft in umgekehrter Reihenfolge wie sie physiologischerweise abläuft. Nach der Wiederherstellung der Integrität der Darmbarriere, kann mit der Unterstützung der Phase III der körpereigenen Entgiftungsleistung begonnen werden: Die Etablierung eines Bindemittels, idealerweise mit einer Bio-Chlorella-Alge [Liebke], verhindert die Rückresorption der mit der Galle ausgeschiedenen Gifte im Darm (enterohepatischer Kreislauf ).
Taurin und Glycin dienen einer optimalen Zusammensetzung der Galle, was zu einer verbesserten Abgabe der fettlöslichen Gifte mit der Galle in den Darm beiträgt. Besteht eine Fettleber, sind Gallensteine (verringerter Gallenfluss) vorhanden und/oder sind erhöhte Leberwerte messbar, sollte das steinauflösende Kräuterpulver Chanca Piedra [Boim], unbedingt Bio-zertifiziert, gegeben werden. Über einen erhöhten Nierenfluss verbessert man die Ausleitung wasserlöslicher Toxine.
Erst dann wird im nächsten Schritt die Phase II unterstützt (Entgiftungsphase) und zuletzt die Phase I (Giftungsphase). Wie das im Detail geschieht, beschreibe ich in meinen beiden Büchern.
So ist sichergestellt, dass es nicht zur Rückvergiftung kommen kann [Theuerkauf ].
4. Therapie mit Mikronährstoffen, die den oxidativen und nitrosativen Stress reduzieren und die ATP-Bildung verbessern
Zahlreiche Mikronährstoffe sind für ein gut funktionierendes Immunsystem von elementarer Bedeutung: Die fettlöslichen Vitamine A, E und D, die wasserlöslichen Vitamine der B-Gruppe und Vitamin C, Spurenelemente insbesondere Zink und Selen, aber auch andere. Die Omega- 3-Fettsäuren, vornehmlich Eicosapentaensäure sowie Docosahexaensäure (EPA sowie DHA) und bestimmte Aminosäuren tragen zu einem intakten Immunsystem bei. Zu den Mikronährstoffen, die die Fähigkeit haben, oxidativen oder nitrosativen Stress und Peroxynitrit zu reduzieren, zählen: Methylcobalamin, 5-MTHF, Taurin, Vitamin C, R-Alpha-Liponsäure [Kuklinski]. Zu den Mikronährstoffen, die die Fähigkeit haben, die ATP-Bildung zu verbessern, zählen: aktivierte B-Vitamine (v. a. B1, B2, B3, B5 und B6 in ihrer aktivierten Form), R- Alpha-Liponsäure und Coenzym Q10 in seiner aktiven Form als Ubiquinol [Ames]. Auch D-Galaktose [Aguer] und D-Ribose [Pliml] oder Carnitin können die ATP-Synthese steigern. Eine antientzündliche Therapie verbessert grundsätzlich die Herstellung von ATP [Freye].
5. Ordnungstherapie: Ernährung – antiinflammatorische Kost / Bewegung / Anti-Stresstherapie
Ernährung
Über die Art und Weise der Ernährung können die Patienten selbst zu einem besseren Wohlbefinden beitragen. Bei chronischer Entzündung wirkt sich eine antiinflammatorische Kost mit viel Gemüse, vor allem rohes Kohlgemüse, Wildkräuter, Sprossen, Salate, wenig Zucker, wenig Obst (Beeren ausgenommen) und wenig Kohlenhydraten positiv aus. Vollkorngetreide, Nüsse, Saaten, Hülsenfrüchte sollten eingeweicht sein, um die Phytinsäure abzubauen. Phytinsäure hemmt die Resorption von Mineralien und Spurenelementen.
Wir wünschen eine regional – saisonale und abwechslungsreiche Kost, die möglichst histaminarm v. a. bei Histaminintoleranz/MCAS sein sollte.
Ein täglicher Konsum von Fisch wäre von großem Vorteil. Fisch und Krustentiere sind allerdings erheblich mit Schwermetallen und diversen anderen Schadstoffen belastet, deshalb empfehle ich, den Verzehr deutlich einzuschränken. Die dadurch unzureichende Versorgung mit Omega-3-Fischölen (EPA und DHA), die essenziell für unseren Stoffwechsel sind, kann durch die Einnahme von Kapseln mit hochgereinigtem Omega-3-Fischöl in natürlicher Triglyceridform beseitigt werden (ab 1,4 g EPA tritt eine antiinflammatorische Wirkung ein) [Meydani].
Grundsätzlich sollte wenig Fleisch, wenig fetter Käse, besser Bio als konventionell (niedrigerer Arachidonsäuregehalt) insbesondere aus Grasfütterung gegessen werden. Bio-Eier – speziell aus Weidehaltung statt konventioneller Haltung (sie besitzen ein günstigeres Fettsäuremuster) – enthalten wertvolle Nährstoffe, die für das Immunsystem wichtig sind. Für alle Stoffwechselvorgänge und Entgiftungsfunktionen ist das Trinken von ausreichend stillem Wasser und Kräutertees wichtig [UGB].
Bewegung
Bewegung an frischer Luft ist eine wichtige Säule im Heilungsprozess. Alle Stoffwechselvorgänge sind ATP-abhängig. Dazu benötigen wir Sauerstoff. Bewegung verbessert die Durchblutung und die Entschlackung von Stoffwechselgiften. Das gesamte lymphatische System wird aktiviert. Körperliche Bewegung wirkt sich positiv auf die Stimmungslage aus.
Gerade Patienten mit chronischen Entzündungen leiden besonders an Stimmungsschwankungen bis hin zu depressiven Zuständen. Über eine vermehrte Kynurenin-Bildung infolge der IDO-Aktivierung durch proinflammatorische Zytokine wird weniger Serotonin synthetisiert. Der Mangel an Serotonin und die vermehrte Produktion von Kynurenin sind verantwortlich für diese Stimmungslage Müller].
Stress
Stress bedeutet auf Englisch Druck oder Anspannung. Wir befinden uns unter belastenden Umständen, wenn wir unter Stress stehen. Dabei können es äußere Umstände (die Ursache) oder die gefühlte Auswirkung in uns selbst sein (wir erleben den Stress). Es wird also zwischen den Stressoren oder den Stressauslösern und der Stressreaktion unterschieden.
Die Stressoren können in Form von Leistungsanforderungen, physikalischer Natur (Hitze, Kälte, Lärm etc.), sozialer (Konflikte, Neid, Eifersucht, Konkurrenz) oder körperlicher Art (Schmerz, Hunger etc.) sein. Aber auch die eigenen Gedanken (also innere Stressoren) oder äußere Reize durch die Umwelt oder Mitmenschen können zu Stress führen [Selye].
Stress ist erst dann gesundheitsschädlich, wenn die entstandene Erregung nicht wieder abfließen kann, d. h. nicht motorisch abgebaut wird (z. B. durch Kampf oder Fortrennen) und sich stattdessen als Anspannung und Verkrampfung in der Muskulatur festsetzt. Dies erklärt auch die myalgischen Beschwerden von ME/CFS-Erkrankten. Über eine chronische Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen- Nebennierenachse wird ständig vermehrt Adrenalin produziert, so dass es zur chronischen Muskelanspannung mit nachfolgendem Schmerz kommt. Besteht zusätzlich eine Histaminose wie z. B. ein unerkanntes MCAS, regt das freigesetzte Histamin aus den Mastzellen ebenfalls den Hypothalamus an. Zudem erhöht es die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke für proinflammatorische Zytokine, die ihrerseits auf den Hypothalamus wirken.
Heilung ist nur im Vagotonus möglich, also im Antistressmodus – im Parasympathikus. Acetylcholin ist hier der Überträgerstoff im Nervensystem.
Es gibt diverse Entspannungstechniken, die den Patienten wieder auf ein besseres Ruheniveau bringen: Mindfulness Brain Stress Reduction [Kabbat-Zinn], Muskelentspannung nach Jacobson, Autogenes Training, Yoga, Tai-Chi, Qi Gong, Atemübungen, aber auch medikamentös mit Procain- [Hahn-Godeffroy] und Cholininfusionen.
6. Therapien auf der psychischen Ebene
Fast allen Krankheiten liegen unerlöste seelische Konflikte zugrunde. Dies sind Konflikte, die durch ein früheres traumatisches Erlebnis entstehen und seelisch nicht verarbeitet werden konnten. Unerlöste seelische Konflikte werden als eine Art Energieblockade im Gehirn verankert und wirken so belastend. Dabei fließt dieser Stress über das sympathische Nervensystem vom Hippokampus zur Peripherie, also den Organen, ab. Wir sprechen auch von der Psychosomatik – die Psyche nimmt Einfluss auf den Körper, ohne, dass wir dies eigens steuern könnten. Das ist ein vollständig unbewusster Prozess. Dieser Therapieaspekt erfordert unter Umständen die Zusammenarbeit mit auf diesem Gebiet arbeitenden Therapeuten.
Als therapeutische Optionen gibt es die klassischen psychotherapeutischen Verfahren [Schubert], aber auch unkonventionellere wie die Psychokinesiologie, EMDR und systemische Aufstellungsarbeit.
7. Antiinflammatorische Therapie
Als wichtige Behandlungssäule steht die antientzündliche Therapie, um den Circulus vitiosus, wie vorne beschrieben, zu durchbrechen. Dazu dienen in der naturheilkundlichen Behandlung Boswelliasäuren [Ammon], Curcumin [Fuchs], Quercetin [Andres], Polyphenole wie Resveratrol [Galiniak] und OPC (Oligomere Proanthocyanide) aus Weintrauben [Carini], Himbeeren, Pflaumen oder Johannisbeeren. Weitere Stoffe mit guter antiphlogistischer Wirkung sind Enzympräparate wie z. B. Serrapeptase [Ethiraj], Bromelain [Hikisz] und Nattokinase. MSM, Omega-3-Fischöle, Dihomo-Gammalinolensäure, Vitamin C und D3 erweitern das Repertoire. Als gute TNF-α-Hemmer sind Brennesselextrakt und Teufelskralle bekannt geworden.
8. Immunmodulation /-stimulation
Mit Hilfe verschiedener Präparate, sei es homöopathisch, phytotherapeutisch, mikrobiologisch oder als Eigenvaccine ist eine Immunmodulation möglich. Dazu sollten über die vorhandene Immunitätslage des Patienten Kenntnis bestehen, um auf keinen Fall eine Überstimulation zu bewirken. Verschiedene Laboranalysen ermöglichen den Einblick über die aktuelle Situation (Immunprofil, MBL, TH1/TH2-Balance, NK-Zellen/CD57, IgA, IgM, IgG im Serum und sIgA im Stuhl).
9. Antiinfektiöse Therapie
Ein Mikroorganismus oder eine Mikrobe ist ein winziges Lebewesen, das nur mikroskopisch oder elektronenmikroskopisch erkennbar ist. Zu den Mikroorganismen zählen Bakterien, Pilze und Protozoen. Viren werden offiziell nicht zu den Mikroorganismen gerechnet, da sie eine Wirtszelle zur Vermehrung benötigen.
Die Symbiose mit Viren und Bakterien ist für unser Überleben wichtig: Jeder menschliche Organismus beherbergt 10-mal so viele Keime wie Körperzellen, aus denen er besteht. Entscheidend für die Symbiose und das gesunde Gleichgewicht zwischen Keimen und Organismus ist das Milieu. In einem pathogenen Milieu steigt die Wahrscheinlichkeit für die unkontrollierte Vermehrung krankmachender Keime. Das gilt sowohl für die im Körper bereits vorhandenen als auch für neu auftretende Mikroorganismen.
Ein gesundes Immunsystem kann zwischen Eindringling und körpereigenen Strukturen unterscheiden. Vornehmlich sind hier die B-Zellen und die T-Killerzellen beteiligt. Die B-Zellen bilden Antikörper, die an Fremdes andocken, eine Kaskade von weiteren Reaktionen einleiten und dann zu einer Entzündung führen. Hierbei werden neue Substanzen (Immunbotenstoffe) hergestellt, die die Fähigkeit haben, den Eindringling zu vernichten. Die T-Killerzellen greifen die Mikroorganismen direkt an und beseitigen sie.
Beide Prozesse wirken einer Entzündung entgegen. Die Symptome einer Entzündung werden nicht durch die Keime selbst, sondern durch die Immunbotenstoffe ausgelöst. Sie sollten nach 1–2 Wochen abgeklungen sein. Halten die Entzündungen über einen längeren Zeitraum an, sprechen wir von einer chronischen/stillen Inflammation oder Silent Inflammation.
Ein gesundes Immunsystem definiert sich durch eine Balance zwischen den Antikörper-produzierenden B-Zellen (TH2-System) und T-Killerzellen (TH1-System).
Solange im Körper eine Entzündung ist, besteht eine sich selbst unterhaltende negative Immunsituation: eine geregelte dosierte Immunabwehr ist nicht möglich. Daher haben die antientzündliche Therapie und die Beseitigung chronischer Entzündungsherde wie z. B. einer Parodontitis oder Kieferostitis bei chronischen Erkrankungen einen hohen Stellenwert.
Mit Hilfe von antiinfektiös wirkenden Therapeutika ist es möglich, das fehlgeleitete Immunsystem zu entlasten. Dazu sollten vornehmlich Präparate zum Einsatz kommen, die keine negativen Auswirkungen auf das Immunsystem wie z. B. ein Antibiotikum haben. Zu den probaten antiinfektiösen Therapiemaßnahmen zählen: Artemisinin [Simonsohn], Rizole [Steidl], Knoblauch, Propolis [Bachevski], Zistrosentee [Attaguile], Kardenwurzel, Glycirrhizinsäure [Arase], Katzenkralle [Goncalves] und Otoba parvifolia [Datar], Vitamin D3 sowie die große Ozon-Eigenbluttherapie [Viebahn-Hänsler].
10. Weitere äußere Einflussfaktoren erkennen und beseitigen
Hier ist vor allem der Elektrosmog zu nennen, der nachweislich weitreichende Auswirkungen auf den menschlichen Organismus hat [Mutter].
Alle Zellen des menschlichen Körpers sind über eine Potentialveränderung erregbar. Die Informationsübertragung erfolgt über elektrische Impulse. Im Gehirn entsteht ein Signal, das über die Nervenzellen z. B. bis zum Herz oder zur Muskulatur weitergeleitet wird. Einerseits geschieht dies unwillkürlich über unser autonomes oder vegetatives Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus), andererseits ganz bewusst über unseren Willen.
Unsere Entgiftung findet vor allem im parasympathischen Zustand statt. Das Gehirn entgiftet insbesondere nachts, da es in einem entspannten Zustand ist. Dazu wird u. a. auch Melatonin – unser Schafhormon – benötigt. Bei einem hohen Sympathikotonus ist der Körper eher auf Flucht und Kampf ausgerichtet – nicht auf Entgiftung. Elektromagnetische Strahlung bewirkt einen hohen Sympathikotonus und beeinträchtigt so die Entgiftungsleistung.
Auch Kunststoffe, Weichmacher oder Zahnfüllungsmaterialien können das Immunsystem negativ beeinträchtigen. Baustoffe, Lösemittel (VOCs — volatile organic Compounds und MVOCs — mikrobielle flüchtige organische Substanzen), Pestizide und Biozide belasten unseren Organismus exponentiell zunehmend seit den letzten Jahrzehnten. Manche Personen betrifft diese Exposition besonders stark.
Die Beseitigung derartiger Belastungen gemeinsam mit den entsprechenden Ausleitungsmaßnahmen sind Voraussetzung für ein gut funktionierendes Immunsystem. Ein wesentlicher Behandlungsansatz stellt die Regulierung hormoneller Dysbalancen dar. Betroffen sind vornehmlich präklimakterische und klimakterische Frauen. Aber auch Männer können durch eine chronische Entzündung oder wie die Frau physiologischerweise in die Wechseljahre kommen.
Andere Hormone wie DHEAS, Cortisol oder Pregnenolon spielen im Rahmen einer chronischen Erkrankung ebenfalls eine wichtige Rolle. Die medikamentöse Unterstützung dieser Dysfunktionen kann eine deutliche Verbesserung im allgemeinen Wohlbefinden bringen [Alkatib].
Fazit
Chronische Erkrankungen bieten grundsätzlich kein einheitliches klar fassbares schulmedizinisch beschriebenes Krankheitsbild. Daher findet keine Therapie statt oder aber es ist der Grund dafür, dass chronisch Kranke oft psychiatrisiert werden.
Die Therapie chronischer Erkrankungen erfordert eine multifaktorielle Ursachensuche und in der Folge ein multimodales Behandlungskonzept. Die richtige Kombination der verschiedenen Behandlungsoptionen ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Das 10-Punkte-Therapieprogramm bietet die Chance, den Patienten als Individuum mit seiner ganz speziellen Krankheitsproblematik wahrzunehmen. Die Erfassung der individuellen Einflussfaktoren und die daraus resultierenden Symptome weisen uns den Weg zur Behandlung und Ausheilung einer chronischen Erkrankung.
Dr. med. Birgitt Theuerkauf, Hamburg
Ärztin, Naturheilverfahren,
umweltmedizinische Schwerpunktpraxis
birgitt.theuerkauf@gmx.de
Literatur
Literaturliste liegt bei der Verfasserin vor.